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Wie wurde Frankfurt zu dem, was es ist? Und was unterscheidet Frankfurt von anderen Städten? Ein Blick in die Schneekugel gibt Antworten auf diese Fragen.

Acht Künstler*innen gestalteten Modelle dieser für Frankfurt typischen Eigenschaften. Einen ersten Einblick gibt es im Trailer auf
YouTube.

Das Foto zeigt das Modell der kriminellen Stadt in der Schneekugel im Museum.
Modell der kriminellen Stadt. CC-BY-SA 4.0: HMF, Thijs Wolzak
Das Foto zeigt die Elbestraße bei Nacht mit den Leuchtreklamen der Spielkasinos und Bordelle
Blick in die Elbestraße bei Nacht CC-BY-SA 4.0: HMF, Tracey Snelling
Das Foto zeigt das Modell der kriminellen Stadt in der Schneekugel im Museum. Das Foto zeigt die Elbestraße bei Nacht mit den Leuchtreklamen der Spielkasinos und Bordelle

Fast jedes Jahr befindet sich Frankfurt ganz oben in der bundesweiten Kriminalstatistik. Besitzt Frankfurt dieses Image zu Recht? Die US-amerikanische Künstlerin Tracey Snelling interpretiert das Klischee der kriminellen Stadt. Sie hinterfragt, was als kriminell wahrgenommen wird und warum Frankfurt zu diesem Image kommt.

Mit Frankfurt verbinden viele eine kalte, berechnende und profitgierige Stadt mit dem berüchtigten Rotlichtviertel, hartem Drogenmilieu und korrupten Bankern. Frankfurts Spitzenposition in der Kriminalitätsstatistik wird aber vor allem durch seine Eigenschaft als internationales Drehkreuz begründet: Durch Hauptbahnhof und Flughafen sind täglich weit mehr Menschen in Frankfurt unterwegs als hier wohnen. In die Kriminalitätsstatistik werden alle einbezogen, auch die Pendler*innen und Reisenden. Das Schwarzfahren gehört zu den besonders häufig in Frankfurt verübten "Straftaten".

Der Frankfurter Flughafen ist ein internationales Drehkreuz. Hier landen täglich 57 Millionen Passagiere aus aller Welt mit und ohne gültige Papiere. Und im Gepäck der Fluggäste findet sich zuweilen jede Menge Unerlaubtes: Jedes Jahr wird beispielsweise geschmuggeltes Geld in Höhe von etwa 42 Millionen Euro sichergestellt. Der "kriminellste" Ort in Frankfurt ist also der Flughafen und es sind vor allem die Transitreisenden, die ihn dazu machen. Steuerhinterziehung und illegale Bank- und Immobiliengeschäfte wurden lange als Kavaliersdelikte angesehen, obwohl es sich dabei um die Volkswirtschaft stark schädigende Kriminalität handelt – erst in den letzten Jahren wurde der Blick dafür geschärft. Das Image der kriminellen Stadt wird aber auch weiterhin durch Prostitution und Drogenkonsum geprägt – die zwar gar keinen Straftatbestand darstellen, aber noch immer öffentlich kriminalisiert und stigmatisiert werden.
 
Das Foto zeigt das Modell der Geldstadt in der Schneekugel im Museum.
Modell von "Bankfurt". CC-BY-SA 4.0: HMF, Foto: Thijs Wolzak
Die Zeichnung zeigt die Börse am Römerberg, viele Häuser und Hütten sind zu sehen.
Die Börse am Römerberg, CC-BY-SA 4.0: HMF
Das Foto zeigt das Modell der Geldstadt in der Schneekugel im Museum. Die Zeichnung zeigt die Börse am Römerberg, viele Häuser und Hütten sind zu sehen.

In Frankfurt haben viele Unternehmen der Finanzbranche ihren Standort. Sie machen die Stadt zum führenden Finanzplatz in Deutschland. Sichtbares Zeichen hierfür sind die Bankentürme, die Frankfurt den Beinamen "Mainhattan" eingebracht haben. Sie inspirierten Jakob Michael Birn zu einem Modell, das den Turmbau zu Babel zitiert, Sinnbild für menschliche Selbstüberschätzung.

Seit dem Mittelalter ist Frankfurt eine wichtige Handels- und Messestadt. Die Stadt profitierte von ihrer zentralen Lage und von ihrer Bedeutung als Wahl- und Krönungsstadt der deutschen Könige. 1240 und 1330 erhielt Frankfurt kaiserliche Messeprivilegien, die den Handel und damit einhergehend auch die Geld- und Kreditwirtschaft förderten. Auf den Herbst- und Frühjahrsmessen trafen sich Kaufleute aus den großen Handelszentren Eropas, die alle in ihren Währungen bezahlten. Auf Intiative auswärtiger Kaufleute einigte man sich 1585 erstmals auf festgelegte Wechselkurse – die Börse war gegründet!

Die Entwicklung des Finanzsektors prägte auch das Gesicht der Stadt: Anfänglich wurde auf Plätzen, Straßen und in den Sälen der Stadt gehandelt und getauscht. Im Laufe der Jahrhunderte verlagerten sich die Aktivitäten in die Innenräume, heute finden sie hinter spiegelnden Glasfassaden statt. Der Finanzsektor hat sich zu einer eher verschlossenen Welt der Eingeweihten entwickelt. Nach der Aufdeckung von Finanzspekulationen, Währungsbetrug und anderen Skandalen hat sich auch das Bild des angesehenen, diskreten und integren Bankiers gewandelt. Der moderne Banker wird als ein arroganter, berechnender und kaltblütiger Karrierist beschrieben, der in seinem Turm buchstäblich die Bodenhaftung verloren hat.
Diese Bild zeigt das Modell der Industrie-und Chemiestadt in der Schneekugel im Museum
Modell der Industriestadt. CC-BY-SA 4.0: HMF, Foto: Thijs Wolzak
Plakat der Gesellschaft des ächten Naxos Schmirgels, 1880
Gesellschaft des ächten Naxos Schmirgels, Naxos Union, Schmirgel-Dampfwerk Frankfurt am Main. Klimsch’s Druckerei J. Maubach & Co., Frankfurt 1880. HMF.C03334, CC-BY-SA 4.0: HMF, Foto: Horst Ziegenfusz
Diese Bild zeigt das Modell der Industrie-und Chemiestadt in der Schneekugel im Museum Plakat der Gesellschaft des ächten Naxos Schmirgels, 1880

Frankfurt präsentiert sich als Stadt der Banken und Dienstleistungen. Für das Einkommen der Stadt spielt aber die Industrie eine viel größere Rolle! Bis heute wird in Frankfurt produziert, die Standorte verteilen sich auf das gesamte Stadtgebiet und fallen daher kaum auf. Mit seinem Modell schafft Rob Voerman eine verdichtete Darstellung der Orte, Produkte und Personen des industriellen Frankfurt.

Das Markenzeichen von Frankfurt ist die Kombination unterschiedlicher Branchen. Frankfurts Weg in die Industrialisierung begann erst ab den 1870er Jahren. Zu deser Zeit war die Infrastruktur schon weit entwickelt, die Verkehrswege waren gut ausgebaut, Frankfurt konnte gleich auf hohem Niveau einsteigen. Die 1884 neu eingeführte städtische Bauordnung erlaubte es, "belästigende Betriebe" nun auch im Stadtgebiet zu bauen. Bis heute zeugen noch viele rote Backsteingebäude an den Rändern der Innenstadt von Frankfurts industrieller Vergangenheit. Und auch das erste Frankfurter Hochhaus aus dem Jahr 1926 gehörte nicht einer Bank, sondern der Firma Mouson, die dort Parfüm herstellte.

Die Industrialisierung Frankfurts stützte sich auf die neuen Technologien; rauchende Schornsteine, wie man das von früh-industrialisierten Städten kennt, waren eher die Seltenheit. Ob Schreibmaschinen, Karosserien, Maschinen, Messgeräte oder das erste Chemotherapeutikum – viele Produkte, die global Furore machten, wurden einst in Frankfurt hergestellt. Während die meisten Produktionsorte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts in die Umgebung bzw. ins Ausland verlagerten, baute die chemische Industrie vor allem in Höchst ihren Standort aus. Bis heute ist das Kennzeichen von Frankfurt als Industriestadt die Vielfalt.
Diese Bild zeigt ein Plakat zur Internationalen Luftschiffahrt Ausstellung in Frankfurt 1909
„Internationale Luftschifffahrt Ausstellung“ Ausstellungsplakat von Alfred Nathaniel Oppenheim, 1909, Farblithographie, CC-BY-SA 4.0: HMF, Foto: Horst Ziegenfusz
Dieses Bild zeigt ein Foto der Parade zum Empfang König Humberts I. von Italien im Mai 1889 vor dem Hauptbahnhof
Parade zum Empfang König Humberts I. von Italien im Mai 1889 vor dem Hauptbahnhof, Fotografie von Carl Friedrich Mylius CC-BY-SA 4.0: HMF, Foto: Horst Ziegenfusz
Diese Bild zeigt ein Plakat zur Internationalen Luftschiffahrt Ausstellung in Frankfurt 1909 Dieses Bild zeigt ein Foto der Parade zum Empfang König Humberts I. von Italien im Mai 1889 vor dem Hauptbahnhof

Durch Frankfurt führen schon immer viele Wege. Frankfurt hat sich als wichtige Drehscheibe für Flug-, Auto- und Bahnverkehr einen Namen gemacht. Ihre günstige geografische Lage im Herzen Europas machte sie auch zu einem Wirtschafts- und Handelszentrum. Edwin Zwakman visualisiert in seinem Modell die Stadt als Drehscheibe und Knotenpunkt für Menschen, Waren, Kapital und Daten.

Schon in der Gründungssage von Frankfurt spielt der Verkehrsknotenpunkt eine tragende Rolle: Auf der Flucht vor den Sachsen stieß der Franke Karl der Große auf den Main. Eine weiße Hirschkuh, die mit ihrem Kalb den Fluss an einer Furt überquerte, wies Karl und seinem Gefolge den Weg auf das andere, sichere Ufer. Die Hirschkuh hat es wohl niemals gegeben, die Furt hingegen schon – sie gab der Ansiedlung um 794 ihren Namen. Dank der kaiserlichen Privilegien und als reichsunabhängige Stadt entwickelte sich Frankfurt schon im Mittelalter zu einer wichtigen Handels- und Messestadt. Tagtäglich kamen hier Menschen aus aller Welt an. Heute noch ist Frankfurt eine Stadt der Pendler*innen, jeden Morgen machen sie Frankfurt zur Millionenstadt.

Die Bedeutung der Drehscheibe wird insbesondere am Flughafen sichtbar, einem der wichtigsten Luftfahrtdrehkreuze der Welt. Er vergrößert sich stetig, was immer wieder Anlass für heftige Proteste bietet. Auch der Autobahnbau erhielt in Frankfurt einen entscheidenen Impuls: 1926 beschloss der Verein HaFraBa, eine Autobahn von den Hanse-Städten im Norden über Frankfurt nach Basel zu bauen – der Bau der Autobahnen wurde später von den Nationalsozialisten propagandistisch ausgeschlachtet. Das "Frankfurter Kreuz" kennen heute vermutlich die meisten Menschen in Deutschland – zumindest aus dem Verkehrsfunk. Mit etwa 335.000 Fahrzeugen pro Tag ist die Kreuzung von A3 und A5 einer der meistbefahrenen Straßenknotenpunkte Europas. Auch virtuell ist Frankfurt eine wichtige Drehscheibe: Mit dem "DE-CIX" befindet sich, gemessen am Datendurchsatz, der größte Internet-Knoten der Welt in Frankfurt am Main.

Frankfurt ist seit dem Mittelalter ein politischer Zentralort in Deutschland – auch wenn es nie eine "Hauptstadt" im Sinn der Verfassung war. Marc Giai-Miniet zeigt in seinem Modell die Geschichte und Facetten der "heimlichen Hauptstadt".

Nach dem Zweiten Weltkrieg wäre Frankfurt fast die Hauptstadt der neuen Bundesrepublik Deutschland geworden. Auch wenn Frankfurt nie eine richtige Hauptstadt war, hatte sie doch seit dem Beginn der Geschichte Hauptstadtfunktionen: Das Ostfrankenreich der Karolinger im 9. Jahrhundert hatte hier sein Zentrum, seit dem 12. Jahrhundert wurden die Könige und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation hier gewählt und zum Teil auch gekrönt. Zwischen 1816 und 1866 tagte hier der Deutsche Bund und machte Frankfurt so zu einer Hauptstadt im Verfassungssinn. Die erste deutsche Nationalversammlung 1848/49 kam in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Frankfurt sollte die Hauptstadt eines neuen Deutschen Reiches werden, was sich allerdings nie durchsetzte.

Mit der preußischen Annexion 1866 verlor Frankfurt seinen Status als Freie Stadt und fiel gegenüber Berlin in die zweite Reihe zurück. Erst der Ausgang des Zweiten Weltkriegs änderte dies wieder: Frankfurt war der "natürliche" Kandidat für die Hauptstadt der neuen Bundesrepublik. Das schon gewonnen geglaubte Rennen wurde bekanntlich an Bonn verloren. Die Stadt konzentrierte sich daraufhin auf ihre altbewährte Rolle als deutsches Finanzzentrum. Das Hauptquartier der Amerikaner in Frankfurt gab den Ausschlag für die Ansiedlung der Bank Deutscher Länder (später Bundesbank). Seit 1998 ist Frankfurt auch Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Neubau der EZB hat Frankfrut den Ruf als dritte europäische Hauptstadt (nach Brüssel und Straßburg) verschafft.

Frankfurt gilt als eine Stadt des Eigensinns, des Protests und der Kritik. Ohne das gedruckte Wort wäre der kritische Geist nicht weit gekommen. In seinem Modell stellt Florian Göttke die über Jahrhunderte ungebrochene Verbindung zwischen Wort und Kritik dar.

Frankfurt ist eines der Zentren, von dem aus sich der Buchdruck seit seiner Erfindung um 1540 durch Johannes Gutenberg verbreitete. In Frankfurt hatte er einige Jahre an seiner bahnbrechenden und weltverändernden Erfindung gearbeitet. Die ersten Exemplare seiner berühmten Bibel wurden auf der Frankfurter Messe verkauft. Seit dem 15. Jahrhundert ist für Frankfurt eine Buchmesse belegt, heute ist die Frankfurter Buchmesse einer der wichtigsten Branchentreffs der Bücherwelt.

Im 19. Jahrhundert wurde Frankfurt zu einem Ort politischer Proteste: Hier demonstrierten Anhänger der frühen Nationalbewegung, radikaldemokratischer Parteien und der ersten Arbeiterbewegung. Kritische Zeitschriften wurden im Verlagszentrum Frankfurt verlegt. Im frühen 20. Jahrhundert entstanden an der noch jungen Universität die deutsche Soziologie und die sogenannte Frankfurter Schule, deren "Kritische Theorie" weltberühmt ist. Von ihr erhielt die Studentenbewegung wichtige Impulse. Frankfurt wurde zum Zentrum der westdeutschen Studentenbewegung.

Frankfurt hat eine über fast neun Jahrhunderte ungebrochene jüdische Tradition – länger als in jeder anderen Stadt Deutschlands. Die Frankfurter jüdische Gemeinde war und ist eine der größten in Deutschland. In Stephan Mörschs Modell sind wichtige Orte und Momente des jüdischen Lebens in Frankfurt festgehalten.

1462 entstand mit der Judengasse das erste Ghetoo in Europas. Für vier Jahrhundert war sie der einzige Ort in Frankfurt, wo Personen jüdischen Glaubens wohnen durften. Obwohl als Zwangsmaßnahme eingerichtet, entwickelte sich hier eine jüdische Gemeinde, wie sie in der Frühen Neuzeit an keinem anderen Ort in annähernd vergleichbarer Größe vorhanden war. Zahlreiche bekannte jüdische Familien, wie die Rothschilds und die Franks lebten ursprünglich hier, genauso wie berühmte Rabbiner, die Frankfurt als "Mutter aller Gemeinden" zu einem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit machten.

1933 hatte Frankfurt mit fast 30.000 Personen den größten jüdischen Bevölkerungsanteil unter den deutschen Großstädten. 1945 lebten nur noch 160 Juden in der Stadt. Zwischen 1941 und 1945 wurden aus Frankfurt mehr als 10.000 Jüdinnen und Juden in die Ghettos und Konzentrationslager verschleppt und ermordet. Die 1949 neu gegründete Jüdische Gemeinde war – wie die Stadt selbst – internationaler und kosmopolitischer als im Rest Deutschlands. Zahlreiche Konflikte wurden öffentlich ausgetragen, die nicht nur die jüdische Gemeinschaft in Frankfurt betrafen, sondern symptomatisch für kulturelle und politische Entwicklungen in der gesamten Bundesrepublik standen.

In keiner anderen deutschen Großstadt gibt es eine Bautätigkeit, die mit derjenigen in Frankfurt seit den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs vergleichbar ist. Daniel Verkerks Modell zeigt die Stadt im ewigen Umbau.

Das Frankfurter Stadtbild ist von ständigem Umbau geprägt: Hier gibt es immer mehrere Großbaustellen mit hoch aufragenden Kränen gleichzeitig, sowohl im Herzen der City als auch an der Peripherie. Es sind v.a. die Kräne, die das Stadtbild kennzeichnen. Ältere Gebäude stehen wie Inseln im Stadtraum, aus früheren Epochen haben nur Fragmente überlebt. In Frankfurt gibt es immer wieder große Neubauprojekte, um historische Gebäude zu rekonstruieren, so wie die "neue Altstadt", die rund um den Dom entstanden ist.

Die Stadt bietet harte Kontraste von klein und groß, von alt und neu, verkommen und glänzend. Gemütlicher Kiez und harte Weltstadt stehen unmitelbar nebeneinander. Ein immenser täglicher Pendlerstrom wirkt dem Eindruck von "Gemütlichkeit" entgegen. In Frankfurt spielt sich der Alltag und das Leben auf kleinem Raum ab. 1965 beschrieb der Psychologie Alexander Mitscherlich die "Unwirtlichkeit unserer Städte" und hatte dabei Frankfurt vor Augen.